"Machen Sie Verhaltenstherapie?"
...... das ist oft die erste Frage, dir mir von neuen Patienten gestellt wird. Da ich den Anrufenden nicht kenne stellt sich mir die Frage, ob er tatsächlich nach der psychotherapeutischen Methode der Verhaltenstherapie fragt, oder ob er Psychotherapie ganz allgemein mit "Verhaltenstherapie" gleichsetzt. In den folgenden Gesprächen zeigt sich meist, daß der Unterschied zwischen der Behandlungsmethode der Verhaltenstherapie und der psychoanalytischen Therapie den Betreffenden nicht bekannt ist. Also keine gezielte Frage nach der verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethode. Doch worin unterscheiden sich diese beiden Psychotherapiemethoden?
Mein ehemaliger Doktorvater Prof. Dr. Dieter Ohlmeier, ehemaliger Leiter des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt hat diese Frage einmal kurz und knapp beantwortet: "Verhaltenstherapie ist keine Psychotherapie."
Langzeitwirkungen psychoanalytischer und verhaltenstherapeutischer Langzeitpsychotherapien
Eine vergleichende Studie aus der Praxis niedergelassener Psychotherapeuten untersuchte 31 Patienten mit Langzeitverhaltenstherapie und 31 Patienten mit psychoanalytischer Langzeitpsychotherapie. In die Studie wurden ausschließlich Patienten aufgenommen, die die Kriterien für das Vorliegen einer depressiven oder einer Angststörung erfüllten. Die verhaltenstherapeutischen Behandlungen dauerten im Mittel 2,4 Jahre und 63 Stunden, die psychoanalytischen Behandlungen 3,6 Jahre und 209 Stunden. Symptomatik und interpersonale Probleme wurden zu 5 Zeitpunkten erhoben: Bei Behandlungsaufnahme, nach einem Jahr, nach 2,5 Jahren, nach 3,5 Jahren und nach 7 Jahren. Die beiden Behandlungsformen waren sehr erfolgreich: Die Patienten zeigten deutliche Symptomveränderungen, die bis zum 7-Jahres-Zeitpunkt stabil blieben. In Bezug auf die interpersonale Problematik veränderten sich die psychoanalytisch behandelten Patienten nach 3, 5 Jahren weiter, während die verhaltenstherapeutischen behandelten Patienten keine weiteren Veränderungen bei sich beobachteten. Das bedeutet, daß durch eine psychoanalytische Behandlung ein innerseelischer Prozeß in Gang gesetzt wird, der sich fortsetzt, wenn die Psychotherapie längst abgeschlossen ist.
Quelle: Psychotherapeut volume 51, pages 15–25 (2006)