Der Feind in meiner Klasse
Mobbing kann in fast jeder Lebenssituation und in jeder Gruppe von Menschen geschehen. Es ist wichtig zu verstehen, dass fast jeder zum Opfer von Mobbing werden kann. Die in unserer Gesellschaft zu beobachtende kulturelle Erosion, eine Art der vom Wirtschaftssystem geförderte Lockerung der Bindungen, der Verfall der Werte und Wertmuster, der Lebenshaltungen und humanistischen Ideen, erfasst alle Institutionen, also auch die Familie und die Schule. In einer Gesellschaft, in der auf diese Weise Solidarität durch Diskriminierung als Gestaltungsprinzip ersetzt wird, wird Schülern aufgrund äußerer Merkmale, abweichender Verhaltensweisen oder wegen ihrer besonders guten oder schlechten schulischen Leistungen eine Außenseiterposition zugewiesen.
Greift die Schule nicht (rechtzeitig) ein, um das Opfer in seinem Selbstwertgefühl zu stärken, kann dies schwerwiegende Folgen für das Opfer haben. Neben den physischen und psychischen Belastungen während der Schulzeit, kann es auch langfristig zu schweren Beeinträchtigungen der Gesundheit kommen. Ferner kann sich diese Erfahrung in einem beschädigten Selbstwertgefühl festigen. Viele Opfer langjährigen Mobbings leiden unter psychosomatischen Störungen: Kopf- und Bauchschmerzen, Rückenleiden, unruhigem Schlaf. Besonders verbreitet sind Depressionen.
Aufgrund dessen sollten alle an Schule Beteiligten für diese Form der Gewalt sensibilisiert werden. Eine gezielte Mobbing-Prävention sollte eine besondere Rolle spielen. Mobbing ist nicht die Sache Einzelner, sondern spiegelt die Hierarchie in einer Klasse wieder. Deshalb reicht es nicht, bekannt gewordene Regelverstöße zu ahnden. Lehrer müssen genau hinschauen, welche Positionen und Rollen ihre Schüler in der Klasse einnehmen. Es geht darum, ein soziales Klima zu schaffen, in dem jeder, der einen Schwächeren angreift, die Anerkennung aller anderen verliert. Erst, wenn es keine Anerkennung und keinen Prestigegewinn mehr für die Angriffe des Täters gibt, kommt es vielleicht zu Verhaltensänderungen.